WIR ALLE FÜR IMMER ZUSAMMEN
von Guus Kuijer
COMEDIA THEATER, Köln
Premiere am 26.4.2014
AUSGEZEICHNET mit dem KÖLNER THEATERPREIS 2014
Mit: Luan Gummich, Sibel Polat, Anton Weber
Regie Rüdiger Pape
Bühne Flavia Schwedler
Kostüme Eva Horstmann
Musik Ögünc Kardelen
Dramaturgie Hannah Biedermann
Paul ist elf und Dichter.
Genauso wie sein Vater, der aber nicht mehr bei Paul und seiner Mutter lebt. Ihm sind Drogen inzwischen wichtiger als das Dichten. Pauls große Liebe heißt Fatima. Sie liebt ihn, darf aber nicht mit ihm zusammen sein – wegen ihres Glaubens und weil sie einen Jungen aus ihrem Heimatland Marokko heiraten soll. Und schließlich verliebt sich Pauls Mutter auch noch in seinen Lehrer...
Kurz: Pauls Leben ist wirklich kompliziert.
Mit Selbstbewusstsein, Humor, der Liebe seiner Großeltern und nicht zuletzt mit Hilfe seiner Gedichte gelingt es Paul sein Leben zu meistern.
Ein Stück über Freundschaft, Glauben, Patchwork-Familien und über das Erwachsenwerden in einer multikulturellen Gesellschaft.
Fotos:
Kölner Tanz und Theaterpreis 2014
Pressemitteilung
Köln, 1. Dezember 2014
Laudatio Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis 2014
an: »Wir alle für immer zusammen«, Regie: Rüdiger Pape, im Comedia Theater Köln
von Christian Bos
Paul lebt bei seiner Mutter. Papa nimmt Drogen und dealt. Auf den kann sich Paul nicht verlassen. Aber das seine Mutter ausgerechnet mit dem Lehrer rummachen muss! In der Schule hat es Paul nämlich auch nicht leicht. Seine Klassenliebe Fatima sagt, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sein kann. Sie soll einen muslimischen Jungen aus ihrer Heimat heiraten. Paul ist sauer, wettert gegen Kopftücher und handelt sich eine Anti-Rassismus-Aktionswoche in der Schule ein. Armer Paul. Er ist, sagt er, der unglücklichste Elfjährige auf der Welt. Seine einzig unkomplizierte Beziehung ist die zu einem Kalb auf dem Bauernhof seiner Großeltern. Armer Kinder, die sich das im Theater angucken müssen. Möchte man meinen. So viele Probleme. So schweres soziales Gepäck, das der niederländische Autor Guus Kuijer in sein Jugendbuch gepackt hat — und dessen dramatisierte Form Rüdiger Pape und sein Ensemble in der Comedia zu schultern haben.
Und dann sind plötzlich 70 Minuten um — und man möchte Pauls familiäre Flickwerk-Welt am liebsten gar nicht mehr verlassen. Denn wie eine Welt hat sich das angefühlt. Eine Welt, die objektiv nur aus drei Darstellern und dem knallgelben Bühnenkasten besteht, den Flavia Schwedler für die Aufführung konstruiert hat. Aus dessen zahlreichen Klappen tauchen die Schauspieler in immer neuen Rollen auf. Schneller, als sie eine What’s App-Nachricht verschicken können. Da müssen wenige, eilige Striche genügen, um einen Charakter zu zeichnen. Umso bemerkenswerter ist es, wie nachdrüklich das gelingt. »Wir alle für immer zusammen« — der Stücktitel schließt das Publikum mit ein. Die Aufführung mag wie im Flug vergehen, aber sie hallt noch lange nach.
Premiere war im April. Doch Sibel Polats resolute, überforderte Mutter ist mir ebenso in Erinnerung geblieben, wie ihr verträumt lächelndes Kalb. Anton Weber als verkiffter, sich in Ausflüchte rettende Vollkatastrophe von einem Vater und Anton Weber als edelmütiger, wenn auch ein wenig trotteliger Lehrer: Das waren doch zwei Personen? Und Luan Gummich, der uns als Paul seine Geschichte erzählt und gleichzeitig durch dessen komplexes Beziehungsgeflecht navigieren muss, zeigt uns kein Opfer der Umstände. Sondern einen kleinen Meister im Patchwork-Flippern. Paul will Dichter werden. Aber eigentlich ist er das ja schon.
Rudiger Pape legt in seiner Inszenierung ein Tempo vor, um das ihn manche Boulevardbühne beneiden könnte. Aber Witze um der Witzigkeit willen sucht man hier vergebens. Und Leerlauf gibt es hier schon gar nicht. Im Gegenteil. Die Rasanz zeigt die Brisanz der Anforderungen, die der Alltag an Paul stellt. Und natürlich auch an viele der Kinder und Jugendlichen, die seine Geschichte in der Comedia verfolgen. Was »Wir alle für immer zusammen« so mitreißend verdichtet, ist das hochkomplexe, ständig überfordernde, ganz normale Leben.
Veranstalter: SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn | Im Mediapark 7 | D-50670 Köln