Der Stein

von Marius von Mayenburg

Eine Produktion von ensemble 7
EL-DE Haus/NS-Dokumentationszentrum, Köln
Premiere 2.2.2012

Mit: Christiane Bruhn, Susanne Krebs, Bettina Muckenhaupt, Maren Pfeiffer

 

Regie Rüdiger Pape

Ausstattung Regina Rösing

Aus der Presse:

Ein tragischer Aufklärungsprozess

"Der Stein". Regie: Rüdiger Pape. Ensemble 7, El-De-Haus

von Hans G.


Im Mittelpunkt des von Meyenburg'schen Textes „Der Stein“ steht ein großbürgerliches Haus in
Dresden. An diesem Ort spielen sich die Irrungen der jüngeren deutschen Geschichte in nuce
ab. Fünf Daten markieren diese Geschichte: 1935 wird das Haus 'arisiert', indem die jüdischen
Besitzer zum Zwangsverkauf erpresst werden. Im gleichen Jahr empören sich die neuen
Besitzer über Steine werfende Jungnazis, die nicht mitbekommen haben, dass die jüdischen
Vorbesitzer längst verschwunden sind. Einer dieser Steine wird im Garten vergraben und dient
später als Symbol für eine Erinnerung, die zur Lebenslüge wird. 1945, als die Russen kommen,
entzieht sich der Hausherr durch Selbstmord feige seiner Verantwortung. Aber sein Tod wird
zur Legende umgedeutet: der Vater, so erzählt die Mutter ihrer Tochter, sei ein Nazigegner
gewesen, dessen Großzügigkeit der jüdischen Familie zudem die rechtzeitige Flucht aus
Deutschland ermöglicht habe. Zu Tode gekommen sei er beim Einmarsch der Russen durch die
verirrte Kugel eines freudenfeuernden Rotarmisten. 1953 fliehen Mutter und Tochter mitsamt
dieser Lebenslüge in den Westen. 1978 besuchen sie, die Tochter inzwischen schwanger,
während eines DDR-Besuches auch 'ihr' altes Haus. Sie beklagen den Zustand des Hauses, um
das sich die neuen Bewohner nur nachlässig zu kümmern scheinen. 1993 schließlich fällt ihnen
das Haus im Zuge der Rückübereignung wieder zu. Wieder müssen andere Bewohner das Haus
verlassen.
Rüdiger Papes dichte und präzise Inszenierung erfordert volle Aufmerksamkeit, will man die
von den Schauspielerinnen nur kurz vermittelten Wechsel zwischen den Daten mitbekommen.
Sie spielen auf unterschiedlich hohen Podesten, die die Länge des Raumes ausmessen. Man
sitzt dicht an dieser Spielstätte und schaut auf der gegenüberliegenden Wand auf Fotos, die
Köln während des Bombenkrieges zeigen. Manchmal scheinen sie das Geschehen stumm zu
kommentieren...
Entscheidend für die Dichte der Aufführung ist aber das intensive Spiel von Christiane Bruhn
als Grußmutter Witha, Bettina Muckenhaupt als ihre Tochter Heidrun, Susanne Krebs als
Enkeltochter Hannah sowie Maren Pfeifer als jüdische Hausbesitzerin und DDR-Bürgerin. Erst
ihr Spiel übersetzt den zuweilen etwas zu schematisch geplanten Text in eine menschliche
Geschichte. Sie erzählt vom individuellen Versagen im Moment der historischen
Herausforderung. So wird nachvollziehbar, wie die Flucht in die Lebenslüge zur
Verdrängungsstrategie wird. Erst als die greise Großmutter zunehmend die geistige Kontrolle
über die Familiengeschichte verliert, kommt langsam die wahre Geschichte zutage. Ein
tragischer Aufklärungsprozess.
Sehenswert.

Zurück